Lili

Liebe Frau Hischer*,
 
es ist jetzt fast sieben Monate her, als Sie mir Ihr einäugiges Sorgenkind Mia, die jetzt Lili heißt, anvertrauten. Wir suchten für unseren alten Tigerkater Bobby eine „Gesellschafterin“, da unsere Bella 15-jährig verstarb und er mit dem Alleinsein nicht gut zurechtkam. Der Plan war, ein ruhiges älteres Mädchen zu finden, das seine alten Tage mit uns und unserem Tiger verbringen sollte.

Sie führten mich zu einer Box, drinnen saß ganz hinten, unter einer Decke vergraben, eine unsichtbare Katze. Ich möge Kontakt aufnehmen und mal schauen, wie man zurechtkäme. Eine vorsichtig ausgestreckte Hand fand weiches Fell unter den Decken und das Streicheln wurde mit lautem Schnurren belohnt. Es zeigte sich ganz kurz ein süßes einäugiges Gesichtchen und eine raue Zunge leckte meine Hand – die Entscheidung war gefallen. So zog die etwa 15-jährige Mia bei uns ein, unsichtbar – ich trug eine Box mit Deckenknäuel ins Auto.

Kaum im neuen Heim angekommen, verschwand Lili, wie wir sie tauften, unter dem Sessel im Lesezimmer. Das Zimmer wurde mit Futter- und Trinknäpfen, Spielzeug und Toilette ausgestattet, schön dicht um den Sessel herum platziert. Lilis Schwachstelle waren Leckerlis, die sie für kurze Zeit unter dem Sessel hervorlockten, und wir sahen, dass wir eine schlanke hochbeinige Schildpattkatze mit weißen Bauch und Stiefelchen bekommen hatten, eine Schönheit! 14 Tage wohnte sie dort unten, mein Mann und ich lagen bäuchlings davor, streckten den Arm aus, streichelten die Süße und erzählten ihr von uns. Bobby sah ungerührt von der Tür aus zu und fand das doof. Nach und nach erforschte Lili ihr neues Zuhause, wobei die ersten Begegnungen mit Bobby unter Gefauche und Geknurre stattfanden. Nun stellt die Vergesellschaftung von zwei älteren Katzen für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar, das war uns bewusst und deshalb hieß es jetzt: Durch- und Aushalten! Lili entpuppte sich als selbstbewusste Katze, immer ein wenig aufgedreht und oft hungrig. Mit Begeisterung jagt sie Leckerlis hinterher und liebt Geschicklichkeitsspiele (oder besser gesagt, deren Belohnung). Es kam frischer Wind ins beschauliche Leben von Kater Bobby. Steicheleinheiten und Bürstenstriche sind ihr immer willkommen und auf dem Arm ist sie ein liebes, kuscheliges Püppchen, das den Rund-um-Blick genießt.
 
Inzwischen sind wir in dem Stadium „gegenseitige Toleranz“ angekommen, und beim Futtereinfordern herrscht friedliche Einigkeit. Begegnungen laufen, bis auf klitzekleine Ausnahmen, freundlich mit Nasenküsschen und Beschnuppern ab. Vielleicht erleben wir noch das Stadium „Freundschaft“. So haben wir, auch wenn es nicht die große Liebe wird, eine win-win Situation erreicht: Lilli hat ein neues Zuhause gefunden in dem sie sich sehr wohl fühlt und Bobby ist aufgeblüht, weil das Leben wieder spannend geworden ist.
 
Wir möchten uns bei Ihnen und dem Team des Katzenhauses für diese tolle Katze, die unser aller Leben täglich bereichert, ganz herzlich bedanken.
 
Familie N.

*Frau Hischer ist Leiterin des Katzenhauses.