Lotte

Am Samstag, 13. September 2014, hatte ich Spätdienst am Polizeikommissariat in Hamburg-Stellingen. Ich bin dort Polizeibeamtin, habe schon viele Fundtiere von besorgten Bürgern entgegengenommen und letztendlich vom Hamburger Tierschutzverein abholen lassen. Meistens handelt es sich hierbei um Hunde, Katzen oder Kleintiere wie beispielsweise Kaninchen, Meerschweinchen oder Sittiche. Es ist immer wieder herzergreifend, mit den Schicksalen von unschuldigen Tieren konfrontiert zu werden.


Es stellte sich heraus, dass der besagte Samstag ein ganz besonderer werden sollte.
Schon seit Kindertagen war es mein Traum, irgendwann einmal ein Jemenchamäleon als neues Familienmitglied aufzunehmen. Ich habe mich immer gern mit dem Thema Terraristik und der speziellen Tierart Chamäleon auseinandergesetzt, jedoch nie die Möglichkeit gehabt, mir diesen Traum zu verwirklichen.
Seit einiger Zeit hatten mein Lebensgefährte und ich den Entschluss gefasst, endlich ein Jemenchamäleon zu adoptieren. Wir hatten auch bereits ein großes Terrarium bei einer Schreinerei anfertigen lassen und nur die beste Technik bestellt und gekauft. Einzig und allein das Chamäleon fehlte noch zu unserem kompletten Glück.

An jenem Samstag war ich gerade von einem Einsatz an die Wache zurückgekehrt, als plötzlich ein junges Paar das Kommissariat betrat. Der Mann hielt dabei einen Schuhkarton in der Hand. Unser an dem Tag zuständige Wachdienst sprach den Mann an.
Ich dachte mir schon, dass es sich in dem Schuhkarton um ein kleines Tierchen handelt, was wie immer meine Neugier weckte, und stellte mich interessiert dazu, um dem Gespräch zu lauschen. Der Finder teilte mit, dass er aus Halstenbek (Schleswig-Holstein) komme und dort in seinem kleinen Garten gearbeitet habe. Plötzlich habe er neben sich im Bäumchen eine Bewegung wahrgenommen. Dann sagte er: „Ich schaute hin und dachte mir: Mensch, das gehört hier aber nicht her!“

Der Wachdienst hob den Deckel des Schuhkartons einen Spalt weit hoch, sodass auch ich einen Blick auf das „Fundtier“ erhaschen konnte. Ich schaute in die nervös umherblickenden Augen einer bezaubernden Jemenchamäleon-Dame. Es war Liebe auf den ersten Blick. Das Pärchen übergab uns den Karton samt Tier und verließ die Wache wieder. Ich übernahm sofort die „Verantwortung“ für sie und setzte sie vorsichtig in einen unserer Kleintier-Käfige. Ich ging vor die Wache, schnitt von einem Bäumchen kleine Äste mit Blättern ab und richtete den Übergangskäfig so bequem, wie es meine Möglichkeiten zuließen, ein. Sie sah aus wie eine „Lotte“ und somit taufte ich sie vor den Augen meiner Schicht-Kollegen auf den Namen Lotte.

Lotte zeigte sich furchtlos in ihrem prachtvollsten Grün, wirkte gesund und munter und schoss sogar eine kleine Motte, welche ich in unserem Kopierraum an der Wache fand und ihr als Futtersnack anbot. Mein Herz ging auf und ich teilte dem HTV-Team mit, dass ich sie gern bei mir aufnehmen würde, sollte sich der rechtmäßige Eigentümer nicht melden. Bis zum Ablauf der Fundfrist wurde Lotte im Tierheim Süderstraße untergebracht. Leider meldeten sich während dieser Zeit kein Frauchen und kein Herrchen. Lotte war vermutlich ausgesetzt worden und nicht geflüchtet.

Heute hat Lotte jedoch den Stress hinter sich gelassen und bewohnt ein wunderschönes und bis ins kleinste Detail liebevoll eingerichtetes Terrarium bei uns zu Hause. Sie frisst und häutet sich, kommt sogar recht zutraulich auf die Hand und fühlt sich pudelwohl.
Vielen Dank an dieser Stelle an das HTV-Team, speziell an Frau Pfeiffer*, für das uns entgegengebrachte Vertrauen. Und unbekannterweise auch vielen Dank an das Retter-Pärchen aus Halstenbek.

Viele Grüße
von Jennifer, Steffen und natürlich von Lotte


*Frau Pfeiffer ist Mitarbeiterin in unserem Kleintierhaus.